Wien Reisebericht in Briefform – mit von mir illustrierten Bildern der Stadt.
eigentlich wollte ich nur auf eine Tasse Kaffee bleiben, mir bei dir ein bisschen die Zeit vertreiben, doch dann werden aus einem Monat zwei, dann drei und ich bin immer noch hier, hier bei dir.
Du schenkst mir nach ein verlängerter Brauner, ein Einspänner oder doch klassisch die Wiener Melange, mit Variationen geizt du nicht, zwei Kaffeeliebhaber unter sich. Wir verbringen Stunden um Stunden an den Tischen unserer Lieblingscafés. Wir zelebrieren die Kaffeehauskultur, philosophieren über Gott und die Welt und darüber, was diese eigentlich noch zusammenhält. Ich komme her zum Lesen, zum Schreiben, um Freunde zu treffen, deine Cafés sind mein zweiter Wohnsitz, dabei ist so viel Koffein im Grunde Wahnwitz.
Vielleicht habe ich deshalb all die Energie endlos durch deine prachtvollen Straßen zu streifen, mir ganze Tage in einem deiner vielen Museen zu vertreiben. Ausstellungen in den prachtvollsten Räumlichkeiten, die Palästen gleichen.
Ich möchte gar wagen zu sagen, dass die ganze Stadt einem großen Museum gleicht, ein Ort an dem ein Hauch von Geschichte durch jede Gasse streift.
Die Jugendstilfassaden am Naschmarkt erzählen von den goldenen 20ern und die Marktstände nebenan nehmen mich mit auf eine Reise durch viele verschiedene Kulturkreise.
Die Sonnenstrahlen glitzern auf der Wasseroberfläche, in der sich das Spiegelbild der Karlskirche sonnt. Der Brunnenrand lädt Freunde zum Verweilen ein, hier trifft man sich flüchtig oder für lange Gespräche, ein Ort an dem die Zeit stillsteht und von dem niemand ohne Lächeln wieder geht.
Insgeheim genießt du es, etwas ganz Besonderes zu sein, gib es zu, dir gefällt es aus der Reihe zu tanzen und so wundert es nicht, dass eines deiner Naherholungsgebiete ein Friedhof ist. Der Zentralfriedhof ist ein sagenumwobener Ort, er erzählt Geschichten aus längst vergangenen Zeiten, hier treffen Religionen aufeinander und verblasste Grabsteine auf Jahrhunderte alten Prunk. Mein Weg führt vorbei an einer prächtigen Kirche und den Ehrengräbern von Beethoven, Brahms und Schubert, die Rehe, die zwischen den Bäumen und Grabsteinen neugierig hin und her streifen, interessiert das alles nicht, nur ein kleines Rehkitz betrachtet mich mit verwundertem Gesicht. Zwischen all den Bäumen und grünen Wiesen hört man gelegentlich einen Bus oder ein Auto fahren, denn klein ist der zweitgrößte Friedhof Europas in jedem Fall nicht.
Der Herbst hat sich über die Stadt gelegt, die tiefstehende Sonne flackert vom eisblauen Himmel durch die goldenen Blätter im Schlosspark von Schönbrunn. Ich schlendere durch die Laubengänge und lasse meine Gedanken schweifen. Jetzt bin ich schon seit Monaten hier und fühle mich so wohl bei dir. Es ist paradox, so als würden wir zwei uns schon ewig kennen und doch weckst du meine Neugier, ich will sie entdecken, all deine tausend Facetten, Ecken und Kanten, die Legenden, die sich um dich ranken. Es scheint mir, du und ich, wir zwei, wir sind wie ein frisch verliebtes altes Ehepaar.
Während man sich wenig zu meiner Begeisterung zum Einkaufen über die Kärntner- und Mariahilfer Straße schiebt, steht es mir nach einem etwas ruhigeren Beat, ich erkunde gerne einen deiner zahlreichen Bezirke, stöbere durch die kleinen Geschäfte und probiere mich durch deine Restaurants aus aller Welt, von Mexiko, über Brasilien bis in den Iran und Sachertorte klingt ohnehin immer nach einem ganz hervorragenden Plan!
Es wird spät und wir rücken gesellig beisammen in einer deiner vielen Bars und auf dem Heimweg machen wir halt an einer echten Wiener Institution, auf der Brücke über dem Wienfluss um halb drei Uhr in der Früh, klingt der Abend aus bei Käsekrainer von der Würstelbox. Und ich glaub genau das mag ich an dir, du bist so schick und so edel und dir doch für Bodenständigkeit nicht zu fein, bist konservativ und lässt dich doch auf so einige Abenteuer ein.
Keine Frage, wir werden uns noch oft wiedersehen, die letzten Monate waren viel zu schön.
Claudia
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