Dank unzähliger Fertiggerichte und Lieferdienste, müssen wir nicht mehr kochen. Wir müssen nicht mehr den Mut aufbringen jemand Fremden anzusprechen, sondern wischen stattdessen einfach nach rechts. Noch nicht einmal mehr Bücher müssen gelesen werden. Dienste wie Blinkist stellen dir die Zusammenfassung zum Anhören zur Verfügung.
Ich arbeite beruflich als Texterin und viele Auftraggeber scheinen zu glauben, dass man Lesern heute keine Sätze mit Kommas mehr zumuten kann. Immer schön kurz. Immer schön einfach. Am besten in Stichpunkten und Tabellen, selbst wenn das eigentlich keinen Sinn macht.
Wir wissen Dinge nicht mehr wertzuschätzen. Wenn das T-Shirt für 5 Euro kaputt ist, kein Problem, wir kaufen einfach ein neues, obwohl noch 50 andere im Schrank liegen.
Wir bekommen alles vorgekaut serviert, in mundgerechte Stückchen geschnitten und das nicht selten zu Dumpingpreisen, damit wir weder uns, noch den Geldbeutel anstrengen müssen.
Damit reagieren Dienstleister und Medien nicht nur auf unsere immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne, sondern fördern diese sogar! Denn durch den Mangel an Qualität, schaffen es diese leicht verdaulichen Inhalte häufig nicht, echtes Interesse zu wecken und somit unsere Aufmerksamkeit zu binden.
Warum „einfach“ nicht immer etwas Gutes ist
Die Auswahl an Inhalten und Produkten wird immer größer, während die Qualität dieser Inhalte oftmals zu wünschen übrig lässt. Wir sind sozusagen überfordert von der Auswahl und unterfordert von den Inhalten.
Und obwohl viele Inhalte ohnehin austauschbar oder von geringer Qualität sind, haben wir trotzdem oft das Gefühl, diese konsumieren zu müssen.
Warum? Weil es umsonst war, weil es billig war, weil wir dazugehören wollen, weil man uns das Gefühl gibt, nicht genug zu sein, wenn wir uns nicht ständig selbstoptimieren. Und das ist anstrengend!
Ständig haben wir das Gefühl etwas zu verpassen, wenn wir all die Angebotsvielfalt ausschlagen. Und tatsächlich, wir verpassen etwas. Wir verpassen es, das Leben zu genießen, während wir pausenlos konsumieren und diesen Konsum für die sozialen Medien dokumentieren.
Sheena Iyengar und Mark Lepper belegten im Jahr 2000 mit einer Studie das Auswahlparadoxon. Bei der Studie wurden Kunden unterschiedliche Mengen verschiedener Marmeladensorten angeboten. Vereinfacht gesagt, eine zu große Auswahl behindert die Entscheidungsfindung. Und ganz ehrlich, dass ist ziemlich frustrierend.
Wir alle kennen das Dilemma spätestens seit Netflix, wo wir häufig eine halbe Ewigkeit damit verbringen einen Film auszusuchen und anschließend so davon genervt sind, dass wir den Film schon gar nicht mehr gucken wollen. Ständig zwischen zu vielen Alternativen abzuwägen, ist nicht nur anstrengend, sondern lässt uns auch nicht selten mit dem Gefühl zurück, die falsche Wahl getroffen zu haben.
So haben wir häufig eine große Auswahl austauschbarer Produkte und Inhalte mit niedriger Qualität, die weder einen echten Mehrwert bieten, noch uns positiv fordern. Das hat zur Folge, dass wir verlernen Dinge wertzuschätzen, selbst die qualitativ hochwertigen.
Warum wir mehr Wertschätzung brauchen
In unserer schnelllebigen Welt beschäftigen wir uns selten mit einer Sache lange genug, um wirklich eine wertschätzende Beziehung zu ihr aufzubauen.
Wir laden gratis Apps, gratis E-Books und gratis Kurse herunter, die wir oft nicht beenden oder gar nicht erst anfangen. Gleichzeitig beschweren sich empörte Nutzer in Bewertungen und Kommentaren darüber, dass bestimmte Apps nicht kostenlos sind oder dass man zahlen muss, um einen Zeitungsartikel zu lesen. Niemand erwartet im Restaurant umsonst zu essen, im Netz hingegen herrscht eine vollkommen verquere Erwartungshaltung.
Viele erwarten Top-Inhalte ohne einen Cent dafür zu zahlen. Doch wo sollen Texter oder Journalisten oder App-Programmierer die Zeit für hochwertige Inhalte finden, wenn sie keiner dafür bezahlt? Und sollten sie es wagen, sich durch Werbung zu finanzieren, sitzen viele Hater bereits mit den Fingern an der Tastatur.
Das alles zeigt, da draußen sind viele unzufriedene, unglückliche Menschen, die nicht wissen wohin mit ihren Emotionen, die überfordert sind von ihren eigenen Gefühlen und davon sie adäquat in Worte zu fassen. Endloser gratis Konsum löst also offensichtlich nicht unsere Probleme, im Gegenteil, er trägt nicht selten dazu bei.
Boreout – Stress durch Unterforderung und warum wir Herausforderungen brauchen
Der gesellschaftliche Trend geht in Richtung Unterforderung des Lesers, des Zuschauers und Konsumenten. Und damit geht der Trend eindeutig in die falsche Richtung. Das Gegenteil vom Burnout ist übrigens das Boreout, wenn wir sozusagen von Langeweile und Unterforderung chronisch gestresst sind.
Das richtige Maß der Dinge zu finden ist ein wahrer Drahtseilakt. Auf der einen Seite schätzen wir es selbstverständlich, dass moderne Erfindungen unser Leben leichter machen, doch wenn wir nicht aufpassen, wird unser Leben schnell zu leicht.
Man sollte uns nicht alle Herausforderungen oder Aufgaben abnehmen, denn der Mensch braucht diese, um glücklich zu sein.
Herausforderungen tun uns gut, sie geben uns die Möglichkeit unsere eigenen Stärken zu erkennen, zu wachsen und an Selbstsicherheit zu gewinnen. Man sagt nicht umsonst, das Leben beginnt außerhalb der Komfortzone.
Vielleicht ist es zu Tode beängstigend einen Fremden anzusprechen und um ein Date zu bitten, aber haben wir es dann einmal getan macht sich wahre Euphorie in uns breit, dass wir uns getraut haben, dass wir was gewagt haben.
Glück ist eine Form von Mut. Warum das so ist, lest ihr in meinem Blogpost.
Der Flow-Zustand
Ohne Herausforderung kein Flow. Ohne Flow kein Glück.
Wir alle kennen ihn, diesen wundervollen Flow-Zustand in dem wir unser Zeitgefühl vergessen und uns glückselig ganz im Augenblick verlieren. Wann immer wir in diesem Zustand sind, müssen wir uns nicht dazu zwingen uns zu konzentrieren, sondern dies geschieht ganz mühelos ohne Anstrengung.
Und obwohl wir uns lange auf eine Sache konzentriert haben, empfinden wir es nicht als erschöpfend, sondern mehr als Erholung.
Aber es wird uns immer schwerer gemacht in diesen Flow-Zustand zu kommen. Denn die Voraussetzungen dafür sind unter anderem das passende Verhältnis zwischen unseren eigenen Fähigkeiten und der zu bewältigenden Aufgabe.
Die Aufgabe sollte uns nicht unterfordern und auch nicht zu sehr überfordern. Sie sollte uns also in einem Maß herausfordern, welches wir mit unseren Fähigkeiten bewältigen können.
Doch wie sollen wir beim Lesen eines Textes in den Flow kommen, der für viele Klicks und gutes Google Ranking geschrieben wurde, inhaltlich aber nichts hergibt?
Andersherum kann uns auch das Gefühl der Überforderung davon abhalten überhaupt anzufangen. Vielleicht warten auf unserem PC mehrere gratis E-Books zum Thema Marketing auf uns. Dann wäre da noch die kostenlose Probemitgliedschaft für diesen Onlinekurs etc.. Wir haben das Gefühl all diese Angebote wahrnehmen zu müssen, aber es ist einfach zu viel.
So fangen wir gar nicht an und sind nachher sauer auf uns selbst, dass wir unseren eigenen Erwartungen nicht gerecht geworden sind.
Deshalb wird es Zeit Grenzen zu setzten und bewusster zu wählen.
Wir müssen nicht jedes Gratis-Angebot wahrnehmen. Qualität darf was kosten und oft ist es sinniger in den einen kostenpflichtigen Kurs zu investieren, den wir wirklich machen wollen, anstatt uns durch 10 Gratis-Angebote zu wühlen.
Haben wir einmal die richtige Aufgabe gefunden, rutschen wir leicht in den Flow ab, aber auch genauso leicht wieder raus. Denn die zahllosen Ablenkungen tun ihr Bestes, um unsere Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen. Allen voran unser Handy.
Nicht nur die Benachrichtigungen selbst lenken uns ab. Sondern unser Smartphone ändert, die Art und Weise, wie wir mit der Welt interagieren.
In vor Smartphone-Zeiten besuchten wir Konzerte und verloren uns in der Musik, ganz selbstvergessen und glücklich. Heute sind wir oft so sehr damit beschäftigt, eben diese Momente für Social Media festzuhalten, dass wir den Augenblick selbst verpassen.
Ob Freizeit oder Beruf, es ist ein Trend geworden alle möglichen Entstehungsprozesse mit dem Handy festzuhalten. Das ist nicht immer schlecht, aber wenn es überhandnimmt, kicken wir uns sozusagen selbst andauernd aus dem Flow-Zustand. Und so bleiben wir unzufrieden und unerfüllt zurück.
Die (a)sozialen Medien
Zunehmend wird es zum Problem, dass das soziale an den sozialen Medien verloren geht. Immer mehr Inhalte werden kreiert, um Algorithmen glücklich zu machen anstatt Menschen. Das erschöpft beide Seiten.
Qualitativ hochwertigen Content am Fließband zu produzieren und ständig auf allen möglichen Plattformen zu agieren ist anstrengend und oftmals schlichtweg unrealistisch und ungesund für die eigene mentale Gesundheit. Aber die Mentalität von „immer mehr, immer schneller“ scheint das zu verlangen.
Doch genau daraus müssen wir ausbrechen uns selbst zuliebe. Denn was uns wirklich glücklich macht, ist nicht der schnelle Konsum, sondern das Aufbauen echter Beziehungen mit Mehrwert.
Wir sind zu Recht erschöpft und überfordert von dieser schnellen Welt, mit ihren zusehends minderwertigen Inhalten.
Deshalb kommt auch langsam die Gegenwelle in Bewegung, zum Beispiel slow Fashion. Immer häufiger sind wir bereit, mehr zu zahlen für bessere Qualität und bessere Arbeitsbedingungen.
Aber es ist nicht nur das. Wir möchten auch wieder einen echten Bezug zu etwas haben, wir möchten Dinge kaufen, bei denen wir den Künstler kennen, seine Geschichte etc.. Wir möchten, dass Persönlichkeit und Werte wieder in den Konsum einziehen, anstatt gesichtslose Massenware.
Oftmals ist jedoch das Problem, dass eben diese Unternehmen, genauso auf soziale Medien angewiesen sind, um ihr Publikum zu erreichen. Und Langsamkeit und hohe Qualität stehen oft im Kontrast zur schnellen Online-Welt. So gehen gute Inhalte online verloren, einfach weil sie nicht nach den Spielregeln spielen. Hier müssen wir als Konsument aktiv werden. Aktiv nach eben jenen Sachen suchen und diese unterstützen.
The Joy of missing out – JOMO
Erst vor kurzem bin ich zum ersten Mal über JOMO gestolpert, die Freude Dinge zu verpassen. Genau davon brauchen wir mehr, um weg zu kommen, von zu vielen minderwertigen Inhalten, die uns unterfordern.
Was wenn wir das Netflix-Abo einfach mal für einen Monat kündigen? Instagram mal für eine Weile deinstallieren? Wenn wir nicht zu jeder Einladung ja sagen, nur weil wir uns dazu verpflichtet fühlen.
Wenn wir endlich mehr Raum schaffen, für Leere, fürs Nichtstun, mehr Zeit für uns selbst, dann haben wir auch die Zeit zu erkennen, was wir wirklich konsumieren wollen, wonach wir uns wirklich sehnen.
Gleichzeitig haben viele genau davor Angst. Vor dieser Stille, vor der Begegnung mit sich selbst.
Aber vielleicht fühlen sich viele genau deshalb so oft verloren, weil es schon viel zu lange her ist, dass wir uns selbst begegnet sind.
Viele haben Angst vor dem Unbekannten, Angst vor der Veränderung.
Versuch nur für einen Moment die Angst durch Neugierde zu ersetzen. Neugierde auf das Unbekannte, Neugierde auf ungeahnte Möglichkeiten. Ja versuch sogar neugierig auf Probleme zu sein, so sind sie deutlich weniger angsteinflößend.
Erwartung vs. Realität
Soziale Medien, das Fernsehen und die Gesellschaft können vor allem eins ganz fantastisch: unsere Erwartungen schüren, wie das perfekte Leben zu sein hat.
Oftmals nehmen wir so ganz unbewusst diese fremden Maßstäbe, um unsere eigenen Erfolge zu messen. Und viel zu oft ist die Diskrepanz zwischen dem was ist und das was unserer Meinung nach sein sollte groß.
Diese Diskrepanz zwischen IST und SOLL macht uns wütend, frustriert, traurig und erschöpft. Sie gibt uns das Gefühl nicht gut genug zu sein.
Doch anstatt zu versuchen besser zu werden, sollten wir uns als erstes fragen, ob wir überhaupt mit den richtigen Maßstäben messen, ob unsere Definition von Erfolg auch wirklich uns entspricht.
Alles dazu liest du in meinem Post „Was ist Erfolg wirklich?“
Das Leben ist schrecklich schön
Es gibt sie nicht, die eine schnelle Antwort auf all diese Probleme, obwohl wir die natürlich alle gerne hätten. Warum sonst würde jede zweite Überschrift im Netz „3 Schritte zum Erfolg“, oder „Schlanker in 7 Tagen heißen“? Wir wollen schnelle Resultate und wenig investieren.
Aber anstatt uns an Zielen festzubeißen und uns unter Druck zu setzten, wie die Welt sein sollte, lasst uns stattdessen für einen Moment im hier verlieren. Lasst uns das „Ich sollte“ weglegen, den Reiseführer zu Hause lassen und unser Handy in der Tasche. Lass dich stattdessen wieder von deinen Sinnen leiten.
Mein liebstes Experiment dazu ist, sich ziellos durch fremde Städte treiben zu lassen und die eigene Neugierde entscheiden zu lassen ob man an der nächsten Straßenecke links oder rechts abbiegt. Mehr dazu liest du hier: Warum keinen Plan zu haben, oft der best Plan ist.
Wir müssen das Ziel nicht immer schon im Vorhinein kennen. Wer dem Weg vertraut, kommt meist am richtigen Ziel an.
Vor allem müssen wir deshalb aufhören, blind den Wegen anderer zu folgen. Weniger konsumieren und mehr selbst kreieren. Mehr Fragen stellen, anstatt zu kritisieren. Die Inhalte fördern, die wir wirklich sehen wollen.
Lerne die Schönheit im Chaos zu sehen. Denn oftmals ist die Welt unglaublich kompliziert und schön zur gleichen Zeit.
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